Die Sache mit dem Fleisch… Ich mache mir in der Hinsicht nichts vor, ich bin und werde wohl niemals ein Vegetarier sein. Dazu schmeckt Fleisch mir einfach viel zu gut. Was nicht heißt, dass ich es täglich essen muss, aber der bewusste Genuss von Fleisch ist für mich immer wieder ein Highlight. Respekt vor dem Tier und vor allem ein Bewusstsein dafür, dass es sein Leben lassen musste, sind aber auch unabdingbar. Für mich und ich denke mal viele andere auch. Vielleicht kommt daher auch mein etwas morbide anmutendes Interesse am Metzger-Handwerk.

Nicht über die englische Beschriftung wundern – Fotos stammen aus der Insta-Story 😀
Die Möglichkeiten, ein ganzes Tier zu verarbeiten, sind schier unendlich und als jemand, auf dessen Speiseplan Fleisch eine prominente Rolle spielt, habe ich das Bedürfnis, mich damit möglichst gründlich auseinanderzusetzen. Ich bin weder Wissenschaftlerin noch habe ich Journalismus studiert, um hier einen umfassenden Bericht vorlegen zu können. Aber es gibt hinsichtlich Fleisch einige Dinge, die natürlich auf der Hand liegen:
Wie zieht man das Tier auf? Welches Futter und welche Lebensbedingungen stellt man ihm zur Verfügung? Wie schlachtet man es? Wie zerlegt man es? Was genau findet man am Ende als Verbraucher eigentlich im Einzelhandel? Und außerdem: Welche Rolle spielen all diese Faktoren hinsichtlich des Geschmacks? In der Doku „Todo sobre el Asado“ über die argentinische Asado-Kultur (momentan bei Netflix verfügbar!) rekonstruiert ein Fleisch-Sommelier anhand von Größe, Muskelanteil, Maserung und Geschmack detailliert, was für ein Rind vor ihm auf dem Teller liegt – wie alt es war, wie es aufgezogen und wie gefüttert wurde. Und auch ich als normaler Verbraucher kann billiges Schweinefleisch, vollgepumpt mit Stresshormonen, mittlerweile „riechen“ und mag es nicht essen. Genauso wie ich manchen Stücken mittlerweile nicht mehr viel abgewinnen kann. Klar ist ein Schweinefilet supermager und fein. Gleichzeitig für mich aber das mit langweiligste Stück mit dem geringsten Eigengeschmack.
Gretchenfrage Fleisch: Nose to tail all the way!
In den letzten Wochen hab ich mich also im Rahmen meines eigenen Umfelds ein bisschen stärker mit Fleisch beschäftigt. Job-technisch sitze ich natürlich an der Quelle. Wir bieten handwerklich hochwertige französische Küche an – bedingt etwas für Vegetarier und für Veganer schon garnix, möchte ich behaupten 😉 Wer allerdings auch mal Kalbsnierchen oder knusprige Schweineöhrchen probieren will, keine Angst vor Wild und Blutwurst hat, der ist bei uns richtig. Die Küche war unter anderem auch ein Grund für meine sehr gezielte Bewerbung letztes Jahr! Ich mag es, wenn Dinge von der Pike auf selbst gemacht werden. Ich möchte genau wissen, was ich esse und wie es (von mir oder anderen) zubereitet wurde. Just in diesem Moment liegt mein erster selbstgemachter Blätterteig im Kühlschrank und wartet auf seine Weiterverarbeitung 😀
Ich und die Wildsau – Drama in 2 Akten
Vor ein paar Wochen habe ich meinen Chef also mal darum gebeten, mir doch bescheidzugeben, wenn mal wieder ein etwas… größeres Tier im Kühlhaus landet und zerlegt werden muss. Und tadaaa… kaum war unser Jäger des Vertrauens mal wieder mit einer Wildsau aus der Eifel da, durfte ich im wahrsten Sinne des Wortes zupacken: Nach einem einführenden Theorie-Teil (was haben wir hier für ein Tier, wie lebt es, was frisst es und was sind die Besonderheiten?) wurde eine Schweine-Seite von Cheffe zerlegt. Die andere durfte ich unter Anleitung zerteilen.
Und wisst Ihr was? Es ist wirklich kein bisschen eklig oder fies! Abgesehen davon, dass Kopf, Innereien und Haut schon fehlten, fühlte sich das Fleisch unter meinen Händen einfach sauber und gesund an. Bis auf ein Quentchen Blut war da nix nass oder glibschig. Und zu sehen, wo genau denn das Filet liegt, in welche Teile sich das Hinterbeinchen zerlegen lässt und dass man aus der Dünnung über den Rippen einen tollen Rollbraten machen kann… großartig!
Foto-Beweise gefällig?
Apropos Dünnung: Hier ein paar Schnappschüsse von meinem Abenteuer! Aus der Hüfte mit dem Handy geknipst und als Insta-Story verwurstet, aber es gibt vielleicht einen kleinen Eindruck:
Mindestens genauso großartig wie der generelle Lern-Effekt: Die Erkenntnis, dass von diesem 40-Kilo-Tier zu guter Letzt lediglich zwei Frauenhände voll Abschnitte (das Fleisch um die Einschusswunde und ein paar kleinere drüsige Knötchen) im Müll landen. Der komplette Rest tauchte in der einen oder anderen Form in den kommenden Wochen auf unserer Karte auf: Wilschweinrücken, Ragout, Rollbraten…
Die Knochen wanderten in diverse Töpfe an Fond und Saucen. Was für ein schönes Gefühl, einem Tier derart gerecht werden zu können! Ihr hört schon raus – ich kann mich für diese Art von Arbeit an der Basis wirklich sehr begeistern. Die Vielzahl an Schritten, die nötig sind, bis ein Stück Fleisch letztlich auf unseren Tellern landet, hat für mich eine ganz besondere Faszination.
Der ersten Sau folgten zwei Wochen später als ein kleines Intermezzo übrigens ein Dutzend Kaninchen, die unter meinen zögerlichen Händen (ich und ein Fleischbeil sind noch keine gute Kombi) nach demselben Prinzip zerlegt wurden. Und siehe da – alles was eine Sau hat, hat ein Kaninchen auch. Nur eben in so winzig, dass man es nicht derart kleinteilig zerlegen muss. Und vor ein paar Tagen gab es wieder mal ein Wildschwein, welches ich im Grunde in Eigenregie zerlegen durfte. Wobei ich natürlich aus Angst, ein Stück Fleisch völlig zu verhunzen, sicherheitshalber eine ganze Reihe von Rückfragen stellen musste. 🙂
Wie haltet Ihr es mit dem Thema? Eher Team Filet? Oder seid Ihr auch so neugierig auf unterschätzte Cuts wie ich? Wer übrigens ähnlich wie ich tickt, Interesse an komplett verarbeiteten Tieren hat und den handwerklichen Aspekt schätzt… kommt uns doch hier besuchen! ♥
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