[Pressereise // Werbung wegen Einladung]
Ein rotwein-seliges Wochenende zwischen provencalischen Weinbergen, herzlichen Winzern und jeder Menge Input. Schöner hätte ich mir meine erste Pressereise nicht ausmalen können. Eingeladen und organisiert von Inter Rhone ging es vor 3 Monaten in die Appellation Rasteau, ein kleines, aber feines Anbaugebiet mitten in der Provence. Was mir dort nachhaltig in Erinnerung geblieben ist? Offene und so gar nicht dogmatische Winzer. Die fast banal wirkende Erkenntnis, wie sehr es beim Wein um das Zusammenarbeiten mit der Natur geht. Und natürlich das Sahnehäubchen: Weine, die auf eine grundehrliche Weise Spaß machen – und in ein paar Fällen sogar den Spagat zwischen Crowdpleaser und Raffinesse lässig rocken.
Disclaimer: Dieser Reisebericht kann natürlich nicht alles, was wir in Rasteau besichtigt und besucht haben, abbilden. Ich habe also die für mich nachhaltigsten Eindrücke und Momente herausgegriffen. Eine hübsche Fotostory gibt es aber bei Instagram, unter meinen Highlights. Und wer noch mehr Informationen zu den besuchten Winzern, Lokalen oder Weinen braucht, kann mich gerne anschreiben! 🙂

Rasteau – eine junge Appellation unter „Alteingesessenen“
Ich persönlich habe mit Rotweinen aus genau dieser Region vor 8 Jahren überhaupt angefangen, Wein „bewusst“ zu trinken. Die Worte „Côtes du Rhône“ waren ein Synonym für trocken, voluminös, kräftig… oder einfach: Ein ganzer Mund voll Geschmack, der Spaß macht – und das oft für kleines Geld. Dass es mich mit Inter Rhone genau hierher verschlug und ich Erzeuger, deren Weine ich teilweise schon in diversen Restaurants an Mann und Frau gebracht hatte, mit Fragen löchern durfte, war ein wunderbarer Zufall.
Die Appellation Rasteau selbst ist erst knappe 10 Jahre alt und liegt in unmittelbarer Nähe zu großen Namen wie Chateauneuf du Pape, Gigondas oder Cairanne… Rasteau selbst fliegt derzeit noch unter dem Radar (auch, was das Preis-Leistungs-Verhältnis angeht!), kann aber mit seinen Nachbarn definitiv mithalten. Zumindest haben mich einige Weine wirklich überrascht und Lust auf sehr viel mehr gemacht.
Wer kräftige, vollmundige Rotweine mag, wird Weine aus diesem Eckchen Frankreichs also lieben. Und wer Lust auf etwas Unkonventionelles im Glas hat, findet hier Winzer, die mit Biodynamie experimentieren. Oder diese Art des naturnahen Weinbaus einfach seit Jahren leben. Nebenher Bier brauen. Oder denselben Jahrgang halb konventionell und halb ohne Zusätze und spontanvergoren in die Flasche bringen, weil sie selber schauen wollen, was dabei herauskommt.
Boden und Klima in Rasteau? Wie für Wein gemacht!
Aber was macht die Region und ihre Weine eigentlich so besonders?
Tatsächlich muss man sich dafür einfach die Landschaft, den Boden und das Klima anschauen. Es ist warm und trocken. Der Boden ist zudem durchsetzt von dicken, runden Kieseln, welche die Rhone vor Urzeiten von den Alpen bis hierher gespült hat. Diese Steine speichern tagsüber die Sonnenwärme und geben sie nachts weiter an den Boden und den Weinberg.

Der Mistral kümmert sich an der Oberfläche um die restlichen Probleme. Bläst Sporen von Schimmel oder Pilzen ins Nirvana und potenzielle Schädlinge gleich mit dazu. Er sorgt übrigens auch für die knarzigen, zur Seite gebogenen Rebstöcke, die sich Jahr für Jahr näher gen Boden neigen. Eine karge, felsige Landschaft, für mich aber wunderschön.
Wunderschön finde ich auch die Tatsache, dass es aufgrund der natürlichen Rahmenbedingungen kaum nötig ist, schweres Geschütz im Sinne von Pestiziden und Co. aufzufahren. Beste natürlich Voraussetzungen für biologischen Weinbau, sozusagen!
1, 2, 3… Vomex und ein tapfer überstandener Flug
Zwei Küchenschichten hinter mir, die Flugangst im Nacken. Brandblasen an den Fingern, Muskelkater vom Kistenschleppen, leicht dicker Kopf. Mein Start in den Abreisetag war so lala. Gepackt wurde natürlich auch erst in der allerletzten Minute morgens früh 🙂

Dank Vomex war es aber halb so schlimm. Könnte mein neuer Life Hack für diese unvermeidlichen Flüge sein (ja, ich weiß, das ökologische Gewissen lässt eigentlich keine zu, aber hier konnte ich schlicht nichts ausrichten – zurück ging es ganz brav 15 h im Zug). 1-2 Vomex und man wird müde und fühlt sich wie in Watte gepackt. Selbst der Anblick der Propeller-Maschine konnte mir nur 1-2 schicksalsergebene Tränchen entlocken. 😉

Am Flughafen lernte ich dann Marco kennen, der im Flieger gesessen hatte, nun aber mit mir per Taxi nach Rasteau schauffiert wurde. Beruflich macht er eigentlich was ganz anderes, aber die Sache mit dem Wein hat’s ihm schon angetan. Er bloggt und “instagramt” zu dem Thema, ist völlig begeistert davon und war generell die angenehmste Begleitung, die man sich wünschen kann auf einer 2-stündigen Taxifahrt.
Durch Weinberge und Zypressenhaine…
Ab nach Rasteau also, unserer Destination/Appellation/Revelation. Am getönten Taxifenster ziehen Zypressen und Weinberge vorbei. Das Fenster musste einfach aufgemacht werden, grauer Himmel hin oder her. Falls Ihr Euch übrigens fragt, was denn genau eine Appellation ist, solltet Ihr diesen knackigen Überblick über das französische Klassifizierungssystem lesen!

In Rasteau sind wir zunächst einmal begeistert von der Idylle. Den Häusern, den 3 winzigen (und sonntags natürlich geschlossenen) Läden, dem Ausblick auf die Ebene des Plan de Dieu und die zerklüftete Silhouette der Dentelles de Montmirail. Auf den Rest der Truppe müssen wir noch kurz warten, also drehen wir schon einmal eine Runde im Ortskern. Mit Kai aus Berlin sind wir schließlich komplett und dürfen einchecken.
10 Minuten Pause. Gepäck in die Ecke werfen, unter die Dusche springen und bisschen Schminke ins Gesicht. Wenns drauf ankommt, bin ich in Rekordzeit ready!
Meet the makers: Frederic Julien (Domaine Gramiller, Rasteau)
Und dann geht’s auch schon die Straße runter zu Frederic Julien. Frederic betreibt die Domaine Gramiller, die biologisch arbeitet und einen umtriebigen Inhaber hat. Wenn Frederic eines nicht ist, dann: Träge und festgefahren. Ihm geht es schlicht und einfach um das letztendliche Produkt, dem er sich immer weiter anzunähern versucht.

20 Jahre ist er nun schon im Weinbusiness tätig. Seine Weinberge aber sind viel älter. Wir starten dort, wo alles anfing und lassen uns von ihm zu seinem Weinberg ‘Les Marcels’ fahren, einer Lage von 2,2 ha. Grenache wird hier angebaut, das Rückgrat der Rhone-Weine sozusagen. Zu bestaunen gibt es hier allerdings vor allem die knorrigen, verwitterten Rebstöcke, die aus dem lehmig-steinigen Boden ragen. 1901. So alt sind die ältesten. Wir sind völlig geflasht.

Was mich noch flasht: Frederics Herangehensweise. Während ich als Newbie immer dachte, dass Weinberge im Falle des Falles komplett neu bepflanzt werden, ist es in Wirklichkeit ganz einfach. Stirbt ein Rebstock komplett ab, wird er durch einen neuen ersetzt. Organisch und heterogen – die Natur nimmt hier schlicht ihren Lauf.
„Biodynamie ist wie Homöopathie – wenn’s was Ernstes ist, geht man dann doch ins Krankenhaus.“
Ich frage ihn, was er von Biodynamie hält. Er wiegelt ab: Die Strenge, mit der der An- und Ausbau von biodynamischem Wein gehandhabt wird, behagt ihm nicht. Er möchte es stattdessen wie mit der Homöopathie halten: Man behandelt seine Zipperlein pflanzlich, aber wenn es wirklich pressiert, geht man vielleicht doch mal ins Krankenhaus. Gesunder Menschenverstand, der sich seiner Meinung nach auch auf Wein anwenden lässt und trotzdem den naturnahen Anbau über alles stellt.
Überhaupt ist an Frederic (und, wie ich in den nächsten Tagen feststellen werde, an den meisten Winzern, die wir treffen) wenig Dogmatisches. Stattdessen erkenne ich viel spielerische Entdeckerfreude, gepaart mit einem ungeheurem Respekt vor dem Naturprodukt Wein. Die Aufgabe des Winzers? Aus den Beeren das bestmögliche Produkt herzustellen, darin die Eigenarten des Bodens, der Region und all der kleinen Rahmenbedingungen abzubilden, die auf die Rebstöcke einwirken.
Spielerische Offenheit und das Trial-and-Error-Prinzip
Um das zu erreichen, muss man einfach probieren, testen und experimentieren. Frederic lässt uns einen jüngeren Jahrgang verkosten – und zwar gleich zweimal. Die erste Hälfte des Ertrags baute er konventionell aus (kontrollierter Gärprozess und Konservierung mithilfe von Schwefel), bei der zweiten Charge ließ er der Natur freien Lauf und brachte einen spontan vergorenen und ungeschwefelten Wein in die Flaschen. Ganz ehrlich – wo hat man schonmal die Chance, „denselben“ Wein in zwei Ausführungen nebeneinander verkosten zu können??
Ich bin jedenfalls hin und weg. Von Frederics spontan vergorenen und ungeschwefelten Weinen, die ganz weich und rund daher kamen. Von seinem spielerischen trial-and-error Prinzip und von seiner Begeisterung für die Sache. Der Mann liebt seine Weine, das merkt man ihm bis in die Nasenspitze an. Er ist einer der Winzer, die ich Euch ehrlich ans Herz legen kann. Weil ich ihn menschlich unglaublich sympathisch, seinen Ansatz bewundernswert und seine Weine wirklich besonders fand.
Abendessen mit den Winzern Mireille (Domaine des Grands Bois) und Vasco (Domaine Chamfort)
Zum Abendessen hatten wir dann ein Date mit zwei weiteren Winzern, Mireille Besnardeau und Vasco Perdigao. Während Mireilles Familie aus der Region stammt und den Familienbetrieb führt (eine der drei Töchter arbeitet ebenfalls mit), ist Vasco zugezogen. Halb Franzose, halb Portugiese, sammelte er zunächst weiter im Norden Erfahrungen im Weinbau, bevor er gemeinsam mit seiner Familie (weil sonst zu teuer) ein Weingut in Rasteau übernahm.

Statt in ein Lokal zu gehen und dort zu essen, kochte Monica, unsere Gastgeberin, in unserer Pension für uns ein regionales Menü: Caillettes, eine butterzarte Lammschulter und zum Schluss zunächst Käse und zum Schluss eine Tarte au chocolat mit Vanilleeis. Die Caillettes habe ich übrigens in Form eines Rezepts für Euch mitgebracht und in einen separaten Beitrag gepackt. Diese soft-saftigen, provencalisch gekräuterten Frikadellen im Schweinenetz sind eine wunderbare mediterrane Erinnerung an den Trip, mal abgesehen von den Weinen udn den Menschen!
In unserer Pension gab es zum Essen an diesem Abend die Weine der beiden Winzer, die sich auch privat gut verstehen. Schön abwechselnd konnten wir so verschiedene Jahrgänge gegeneinander vergleichen, denn beiden hatten 2-3 Flschen von den teils selben Jahrgängen dabei.
Das Biosiegel – Segen oder… Fluch?
Worum es im Tischgespräch ging? Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Diskussion um die Eco-Zertifizierung. Alle Winzer, mit denen wir sprachen, beschäftigte es sehr. Und zwar nicht nur im Positiven, sondern durchaus auch vermengt mit einer gewissen Skepsis.
Wie anderswo wird auch hier das – grundsätzlich sehr positive – Bewusstsein der Konsumenten für nachhaltig an- und ausgebauten Wein immer größer. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine offizielle Zertifizierung teilweise nötig. Und zwar ganz unabhängig davon, ob schon vorher nach genau diesen Vorgaben gearbeitet wurde.

Ich habe ja schon in meiner Einleitung erwähnt, dass die natürlichen Voraussetzungen für naturbelassenen Weinbau in dieser Region hervorragend sind. Die Natur selbst sorgt dafür, dass man nicht zwingend mit Pestiziden arbeiten muss. Die Rebsorten haben soviel Kraft und (gefällige) Aromatik, dass auch der Wein für sich selbst stehen kann. Nur am Rande erwähnt seien Aroma-Hefen, mit denen man eigentlich jeden Wein tunen kann und die weltweit weit verbreitet sind.
Aber welchen Zweck hat das Bio-Siegel in einer Region, in der ohnehin (zumindest bei 80 % der Winzer, die wir besucht haben) nachhaltig und naturnah gearbeitet wird? Der Zertifizierungsprozess ist langwierig und kostspielig. Trotzdem gibt es viele Verbraucher, die aus Mangel an Zeit für eigene Recherche genau darauf achten. Genau diesen Konsumenten bietet ein Bio-Siegel Sicherheit und Gewissheit. Für die Winzer ist es oft aber ein lästiger Zeit- und Kostenfaktor und ist ausschließlich dem Markt geschuldet.
„There’s no excuse for bad wine!“
Während Mireille sich also schon vor Jahren hat zertifizieren lassen, weigerte Vasco sich bis dato standhaft. Sein Standpunkt ist simpel: Er sieht nicht ein, sich dem Druck des Marktes zu beugen, Zeit und Geld in ein Zertifikat statt in noch bessere Produktionsbedingungen zu investieren. Denn auch das Bio-Siegel macht einen schlechten Wein nicht besser. Oder, wie er es zusammenfasst: „There’s no excuse for bad wine!“ Er möchte nicht, dass sein Wein wegen eines Siegels gekauft wird, sondern wegen der Qualität und des Geschmacks. Ich kann seine Meinung gut verstehen, auch wenn es fast aussichtslos in einer Welt erscheint, in der man vor lauter Informationen als Otto Normalverbraucher Orientierungshilfen braucht.

Es war extrem spannend, sich darüber mit den Machern zu unterhalten. Schließlich prägen wir alle mit unserem Konsum genau diesen Druck. Transparenz, die durch eine Zertifizierung zumindest ansatzweise gewährleistet wird, ist für die bewussten Konsumenten in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu einem Thema geworden. Allerdings verstehe ich auch das Dilemma für die kleinen Erzeuger, die sich diesem Druck nun vermehrt beugen müssen und die es schlichtweg vor eine finanzielle und organisatorische Herausforderung stellt.
Ein sehr aufschlussreicher Abend, der aber trotz der teils ernsten Themen einen Riesenspaß gemacht hat. Wie man auf dem Foto sieht, kommunizierten wir wild in Englisch, gebrochenem Französisch und mit Händen und Füßen. Und sprachen über Essen und Wein. Schöner hätte der erste Reisetag nicht enden können.
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